Mit Wasserstoff zur grünen Industriestadt

Stadt, Hochschule und Wirtschaft starten Initiative „H2GE“ zur Weiterentwicklung des Wasserstoffstandorts Gelsenkirchen, stellen drei Pilotprojekte vor und laden zum Mitmachen ein.

Pressekonferenz zum Start der Initiative "H2GE". v.l.n.r.: Wolfgang Jung (Wissenschaftspark Gelsenkirchen), Prof. Dr. Michael Brodmann (Westfälische Hochschule), Prof. Dr. Bernd Kriegesmann (Westfälische Hochschule), Dr. Jochen Grütters (IHK Nord Westfalen), Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen Karin Welge, Dr. Lars Wiese (uniper SE), Lars Baumgürtel (ZINQ GmbH & Co.KG), Duygu Yavuz-Hofer (uniper SE), Simon Nowack (Stadtrat der Stadt Gelsenkirchen), Marc-Philipp Hentschel (uniper SE) (Foto: Wissenschaftspark Gelsenkirchen).

Gelsenkirchen, 1. April 2022

Die Energiestadt Gelsenkirchen startet durch - mit Projektvorhaben zur Erforschung und Nutzung von grünem Wasserstoff in Industrie und Mittelstand. Dazu haben heute die Spitzen von Stadt, Hochschule und Wirtschaft in der Westfälischen Hochschule die Initiative „H2GE – Wasserstoffstandort Gelsenkirchen“ gestartet, drei Pilotvorhaben vorgestellt und weitere Akteure eingeladen, sich der Initiative anzuschließen. Die drei Projekte sollen die Transformation zur grünen Industriestadt mit Wasserstoff in zentralen Bereichen vorantreiben:

  • Aufbauend auf der langjährigen Wasserstoffkompetenz der Westfälischen Hochschule soll das „H2 Solution Lab“ insbesondere mittelständischen Unternehmen der Region den Weg in die Wasserstoffwirtschaft ebnen – durch die gemeinsame Entwicklung technischer Lösungen und die Ausbildung akademischer Fachkräfte im Rahmen eines neuen Masterstudiengangs.
  • Die Erprobung von Wasserstofftechnologien im Industriemaßstab und die Fortbildung beruflicher Fachkräfte sind Gegenstand des „Hydrogen Industrial Research and Training Center (H2iRTC)“, das am Kraftwerksstandort der Uniper in Gelsenkirchen-Scholven entstehen soll.
  • Im bereits gestarteten „Klimahafen Gelsenkirchen“ wollen 17 Unternehmen eine Blaupause für die klimaneutrale Transformation eines ganzen Industrie- und Logistikareals entwickeln. Zur Dekarbonisierung ihrer Prozesswärme streben die energieintensiven Betriebe dabei die zügige Anbindung an eine leitungsgebundene Versorgung mit grünem Wasserstoff an.

 

Oberbürgermeisterin Karin Welge begrüßt das Engagement und lädt weitere Akteure zum Mitmachen ein: „Klimawandel und der Krieg des russischen Präsidenten in der Ukraine erfordern einen beschleunigten Umbau unserer Energieversorgung – weg von den fossilen und hin zu den grünen Energien. Für viele Industriebranchen ist Wasserstoff dabei die Schlüsseltechnologie. Zum Erhalt und Ausbau unserer Industriearbeitsplätze treiben wir deshalb den Wandel gemeinsam voran. Die heute vorgestellten Projekte sind dafür ein kraftvolles Startsignal.“ Die Stadt Gelsenkirchen unterstützt die Partner bei der Einbringung der Vorhaben in geeignete Förderprogramme und hat den Wissenschaftspark mit der Koordination der Initiative beauftragt.

Uniper-Kraftwerksleiter Dr. Lars Wiese freut sich über den Schulterschluss der Akteure und betont die Chancen einer Transformation des Kraftwerksstandorts Scholven: „Unser Zukunftsprojekt H2iRTC ist ein wichtiger Schritt um Technologien zur Reife zu bringen, die eine Dekarbonisierung der Industrie im großen Stil ermöglichen werden. Wir bleiben dabei der Region treu, indem wir die Synergien des Standorts nutzen und ihn dabei auch gleich fit für die Zukunft machen.“

Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, Präsident der Westfälischen Hochschule, sieht in der Initiative echte Chancen für neue Impulse in der Region: „Es reicht nicht mehr, darüber zu reden, was man machen müsste, sondern es geht darum, jetzt aus der Defensive in die Offensive zu kommen und tatsächlich zu handeln. Das wollen wir mit dem H2-Solution-Lab: Zukunft mit konkreten Lösungsbeiträgen für eine nachhaltige Energieversorgung gestalten und Perspektiven für neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region schaffen.“

Lars Baumgürtel, geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ GmbH & CO KG und Sprecher der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen hebt die Vorzüge des Wasserstoffstandorts Gelsenkirchen hervor: „Bereits mit der vorhandenen Strom- und Gas-Infrastruktur sowie den zahlreichen Akteuren mit langjähriger Erfahrung in der Erforschung, Produktion, Transport und Nutzung von Wasserstoff verfügt Gelsenkirchen über eine ideale Startposition für einen zügigen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Die heute vorgestellten Projekte machen sich genau dies zunutze. Sie decken verschiedene Facetten der notwendigen Transformation ab und können sich gegenseitig befördern.“

„Die Initiative H2GE ist ein hervorragender Beleg dafür, wie Einzelprojekte durch ein frühzeitiges vertrauensvolles Miteinander der Akteure sinnvoll zusammengefügt werden können. Dies sollte Ansporn und Maßstab zur Etablierung weiterer Innovationsprojekte in der Region sein. Bei der Umsetzung der Wasserstoff-Roadmap Emscher-Lippe, aber auch bei anderen Themen wie z.B. der Zirkulärwirtschaft brauchen wir agile Strukturen zur Entwicklung und Umsetzung innovativer Projektvorhaben“, so Dr.  Jochen Grütters, Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK Nord Westfalen.


Die Pilotprojekte im Einzelnen:

H2 Solution Lab

An der Westfälischen Hochschule soll ein H2-Solution-Lab entstehen, in dem Wasserstoffsystemkomponenten und Wasserstoffanlagentechnik konzipiert, aufgebaut, getestet und validiert werden. Die Arbeiten in dem hoch flexiblen Entwicklungs- und Testzentrum beziehen sich auf vollständige Wasserstofferzeugungssysteme vom Ventil über Elektrolyseure, Brennstoffzellen sowie Kompressoren und Speicher aber auch auf Wasserstoffnutzungssysteme, die gerade die Umstellung der mittelständischen Unternehmen auf eine Wasserstoffwirtschaft unterstützen. Hier werden Nutzungsszenarien etwa im Bereich der Betankungstechnik, der Prozesswärmeerzeugung oder der Wärmeversorgung im Wohnquartier bearbeitbar sein. Aufgrund des erkennbaren Bedarfes für Wasserstoffsystemtechnik mittlerer Leistung, der aktuell nur von sehr wenigen anderen Akteuren adressiert wird, sollen im H2-Solution-Lab Wasserstoffsysteme und deren Komponenten bis zu einer Leistungsgröße von 1 MW bearbeitbar sein. Die anwendungsorientierten wissenschaftlichen Kompetenzen der Forschenden an der Westfälischen Hochschule, die sich seit Jahren erfolgreich mit Entwicklungen im Bereich der Wasserstofftechnik, insbesondere mit Systemen zur Hochdruckelektrolyse, befassen, werden mit dieser Ausrichtung mit den Herausforderungen und Chancen der Unternehmen der Region zusammengebracht. Durch diese transferorientierte Symbiose wird sichergestellt, dass die im H2-Solution-Lab zukünftig umgesetzten Projekte wertvolle Beiträge für die Herausforderungen der Energiewende leisten können und so in der Region Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden.


Hydrogen Industrial Research and Training Center (H2iRTC)

Das Projekt soll die Transformation des heutigen Kohlekraftwerkstandortes Gelsenkirchen-Scholven zu einem Innovationsstandort der Wasserstofftechnologien ermöglichen. Dazu soll eine umfangreiche Testinfrastruktur entstehen, die es ermöglicht, großskalige Wasserstofftechnologien im industriellen Umfeld zu pilotieren, zu erproben und weiterzuentwickeln. Für die vier Anwendungsgebiete Wasserstofferzeugung, -speicherung, -verteilung und -nutzung werden unterschiedliche Prüfstände anschlussseitig eingerichtet, die sich vor allem in der Medienversorgung unterscheiden. Insgesamt werden Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Erdgas, Wasser, Wärme und Strom angeboten und abgenommen werden können – was die überregionale Alleinstellung des H2iRTC als industrielles Wasserstoff-Reallabor begründet. Darüber hinaus soll H2iRTC zur Fachkräfteentwicklung in Emscher-Lippe-Region und darüber hinaus beitragen. Praxisnah und durch reale Arbeiten an den Testständen soll eine qualifizierte und zertifizierte Fortbildung ermöglicht werden. Durch diese anwendungsnahe Weiterbildung werden Berufsfelder, die sich zukünftig mit Wasserstoff auseinandersetzen müssen, qualifiziert und bestehende Arbeitsplätze gesichert. Ein Pilotprojekt geht voraussichtlich bereits ab Sommer 2022 an den Start. Hierzu kooperiert Uniper mit der KWS Energy Knowledge eG, der IHK Nord Westfalen und dem DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches).
 

Klimahafen Gelsenkirchen

Die bereits Mitte 2021 von Unternehmen aus dem Stadthafen Gelsenkirchen und der näheren Umgebung mit Unterstützung von Stadt, Wissenschaftspark und IHK Nord Westfalen gestartete Initiative umfasst mittlerweile 17 Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Gemeinsames Ziel ist eine schnelle Transformation zur Klimaneutralität durch eigenes Handeln und wo dies nicht ausreicht ein gemeinsames Engagement zur Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Pilotvorhaben ist die Dekarbonisierung der Prozesswärme in energieintensiven Betrieben. Mit einem jährlichen Wärmebedarf von rd. 500.000 Megawattstunden (MWh) hat der Unternehmenscluster dabei eine bundesweite Alleinstellung und steht prototypisch für den industriellen Mittelstand. Zur Dekarbonisierung der Prozesswärme fordert die Initiative die Verlängerung der 2024 in Gelsenkirchen-Scholven aus Richtung Norden ankommende Wasserstoff-Pipeline GetH2 in den Stadthafen. Alternativ prüft die Initiative aktuell mit mehreren Interessenten aus der Energiewirtschaft die technische und wirtschaftliche Machbarkeit der Errichtung eines Großelektrolyseurs zur lokalen Wasserstoffproduktion in der Nähe des Klimahafens. Im Bereich Mobilität ermittelt die Initiative derzeit den Bedarf und die Machbarkeit für eine trimodale Wasserstoff-Tankstelle zur Betankung von LKWs, Schienenfahrzeugen und Binnenschiffen.

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